„Jedem sein Hakerl ins Kreuz“ oder „Die Äpfel des Jonathan Meese

Kommentar von Klaus Karlbauer zum aktuellen Richterinnenspruch in der Causa Jonathan Meeses Hitlergruß  

Ja, die Kunst ist frei, und möge sie es immerdar bleiben. Diese Freiheit erlaubt es mir jedoch als Künstler, einige bescheidene Anmerkungen zum Geschäftsmodell eines erfolgreichen Kollegen zu machen.

Messe erinnert mich an den Maler in Herbert Achternbuschs Film „Der Depp“, dem bei einer Rauferei mit einem Bierkrug so heftig auf den Kopf geschlagen wurde, dass ihm der Krug In der Schädeldecke stecken blieb. Der arme Maler konnte fortan nur mehr Bierkrüge malen.

„Jörg Schmidt-Reitweins Kamera steht und starrt. Sie starrt auf einen Deppen, der sich unter der Dachschräge seines Ateliers hinter seinen Staffeleien verkriecht. Auf dem finsteren Dachboden laufen im Fernseher alte Achternbusch-Filme, schwarzweiß. Erstarrt vor innerer Bewegung zeigt die Kamera, woher die Filme kommen: nicht nur aus Bayern, auch aus der Finsternis. Statt „Bierkampf gibt es ein neues Zauberwort: „Atemnot“. (Die Zeit/ Helmut Schödel, 1982)

Meese hat augenscheinlich seine liebe Not mit dem Hitlergruß/ Hakenkreuz. Der gelernte Wiener würde dazu sagen, „Dem hat wohl jemand ein Hakerl ins Kreuz…“, und dabei freundlich grüßen oder gar ein Knickserl machen. Oder will Meese gar mit seinem Haken uns ans Kreuz? Wenn schon, wen kümmerst, wen interessiert dieser Schürhaken mit oder ohne den dazugehörigen Gruß. Damit kann er in seiner eigenen verlöschenden Glut herumstochern solange er will.

„Achternbuschs Film „Das Gespenst“, kann man auch als Exorzismus sehen. Das Gespenst des (Künstler-) Gottes ist vom Kreuz gestiegen und schleicht als mieser Ober durchs Land. Der Depp hat statt seiner Filme, von deren Zitaten der neue Film lebt, nur noch einen Bierkrug im Kopf. (Die Zeit/ Helmut Schödel, 1982)

Wenn einem Betrachter künstlerische Praxis nur irgendwie den Eindruck vermitteln würde, dass der betreffende Künstler sein Werk kontrolliert und nicht umgekehrt. Ja ja, die totale Identifikation zwischen Leben und Werk… Sind wir vielleicht immer noch in der Zeit vor Brecht?

„Die Verteidigung des 43-jährigen Künstlers plädierte am Mittwoch erneut auf Freispruch. Der Hitlergruß sei Teil einer Inszenierung gewesen.  Meese sei nicht als Privatmensch dort gewesen, sondern als Bühnenfigur. Es sei keine persönliche Äußerung gewesen. „Es handelte sich unzweifelhaft um ein Werk der Kunst“, betonte sein Verteidiger Pascal Decker. Anwältin Heide Sandkuhl konstatierte: „Man muss das, was Jonathan Meese macht, nicht mögen, aber man darf es nicht verurteilen.“ Dem folgte das Gericht. (DerStandard.at)

„Mögen“ ist keine Kategorie der Kunst genausowenig wie „verurteilen“, Kritische Auseinandersetzung ist gefragt und dabei nicht in die Knie gehen vor Prominenz. Was die „Inszenierung“ betrifft, haha, dass ich nicht lache, das ist ja nicht einmal eine Posse, denn dafür hat der Witz einen zu langen Bart. Sollte die Botschaft des Künstlers jedoch lauten: „Leuterln, schaut’s her, jeder hat sein Hakenkreuz zu tragen, vergesst das nicht, denn sonst werden die  Monster der Vergangenheit wieder auferstehen und so weiter und so Blabla…“
Gähn! Soll er doch gleich sagen, „Ich habe mit meinem Hitlergruß-/ Hakenkreuz-Schmäh schon bisher sehr viel Geld verdient, und niemand wird mich dazu bringen, dasselbe nicht solange weiterzumachen, solange es noch Leute gibt, die bereit sind, dafür zu bezahlen“. Und jene coolen Typen, die sich den Hitlergruß dann in ihre Sammler-/ Kuratoren-Loft hängen oder als Klanginstallation im Loopbetrieb abspielen, fühlen sich wohl als Libertins!? Berauscht zurückgekehrt von der Weltkunstausstellung Documenta, „aufgeladen mit Kunst“ . Begrüßen sie danach ihre Gäste, die zum Sammler-/ Kuratoren-Abendessen erscheinen mit „Heil Hitler“? Das zum Beispiel stelle ich mir cool vor, eine derartige Szene würde ich ganz sicherlich inszenieren, wäre ich eingeladen, eine Meese-Performance zu machen. Also meine Herrschaften, nur zu, meine Kontaktdaten sind im Internet zu finden.
Aufregung ist darüber hinaus auch eine Art der Bezahlung, Wertschätzung, Liebesbeweis, Bestätigung der eigenen Existenz… Naja, wer’s braucht. Anyway, „Never change a running System“!

„Meese zeigte sich nach dem Freispruch erleichtert. „Die Kunst hat hier triumphiert. Jetzt bin ich befreit“, betonte er. „Ich kann einen Apfel malen, ohne je einen Apfel gegessen zu haben. Ich kann den Hitlergruß machen, ohne etwas damit zu tun zu haben. Das geht“, betonte er“. (Der Standard)

Glückwünsche zur Freiheit, Herr Meese, denn die sei jedem gegönnt. Aber in Zukunft bitte lieber Äpfel malen, das geht auch, ohne dabei ständig „Heil Hitler“ vor sich hin zu deklamieren.

„Das ist die frohe Botschaft des Deppen: noch hält der Kopf der Katastrophe stand. Auch der Depp ist am Maßkrug, der in seinen Kopf einschlug, nicht! gestorben. Statt einer Schädeldecke hat er eine Silberplatte, statt der Haare einen Zylinder“. (Die Zeit/ Helmut Schödel, 1982)

Über Klaus Karlbauer

Composer, Director, Producer, Performing Artist
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