Nachfolgender Text wurde von Lisa Schranz als Nachtrag zu ihrem Referat im Rahmen meiner Vorlesung am TFM verfasst, und da ich diesen Text bemerkenswert finde, möchte ich ihn einer weiteren Öffentlichkeit ans Herz legen:
Als ich dem Zufall auf die Schliche kam
oder
Des Rätsels Lösung (Lisa Schranz)
Am 5.12.2011 in der Lehrveranstaltung „Ich habe geklaut – Sampling-Mix-Remix“ habe ich ein familiäres Erbstück präsentiert, ein Tonbandgerät. Es ist 43 Jahre alt und hat in dieser Zeit ein gewisses Eigenleben entwickelt.
Seine Eigenheit hat der Philips 4307 in dieser Lehrveranstaltung am Krampustag gezeigt.
Das Gerät bediente sich eines bereits durch Zufall und unabsichtlich bearbeiteten Bandes.
Auf dem Band sind Aufnahmen meiner Urgroßmutter und meiner Großtanten, als sie über das gesundheitliche Problem eines Gänserichs meiner Urgroßmutter und dessen Behandlungsmethoden debattieren (weitere Verwandte, die sich über andere Themen unterhalten) und meiner Mutter, als sie einen Zungenbrecher vorträgt, der in unserer Familie als Tradition von Mutter zu Kinder weiter gegeben wird.
„Frau Hockerl mocht Nockerl
und stöllt’s aufs Stockerl.
Do kummt a klans Bockerl
und frisst da Frau Hockerl die Nockerl vom Stockerl.“
Diese Aufnahme dürfte im Zeitraum von 1966 bis 1968 gemacht worden sein.
Zwischen diesen kurzen familiären Aufnahmen findet sich ein Musikstück von Mike Oldfield. Es handelt sich hierbei um Teil zwei und vier des 20-minütigen Stückes „Platinum“ vom Album „Platinum“ aus dem Jahr 1979. Die Aufnahme dieser Musik wurde ca. Anfang der 80er Jahre von meiner Mutter gemacht. Die Familienaufnahmen und die Musikaufnahme wechseln sich harmonisch durch ein fade in und fade out ab.
Aus diesem Mix wurde dann in der Lehrveranstaltung ein eigenes Musikstück.
Bei der „Band-Aufnahme-Spule“ musste ich etwas mithelfen, sie ist schon etwas altersschwach.
Trotzdem wurden auf einmal nur gewisse Tonstellen abgespielt und mit einem gekonnten fade in und fade out die Tonteile voneinander abgegrenzt. Dazwischen war nur das Gerät selbst zu hören. Ein Philips4307-Solo. Ich war in der Tat etwas überrascht.
Ein durch Zufall entstandenes Musikstück nach dem Vorbild von John Cage war in der Lehrveranstaltung zu hören, wobei ich zugeben muss, dass in diesem Fall die Absicht fehlte.
Nach der Lehrveranstaltung spielte ich noch einmal einem Kollegen kurz etwas vom Tonband vor und das Gerät ging noch einen Schritt weiter, es begann den Ton unregelmäßig eiern zu lassen. Das Stück wurde immer stärker (meinerseits unfreiwillig) bearbeitet.
Ich wollte nicht aufgeben und spielte noch am selben Abend meinen Arbeitskollegen ebenfalls etwas von dem Oldfield-Family-Mix vor. Wieder gab es regelmäßige Pausen im Stück und eine unregelmäßige Bandgeschwindigkeit, wodurch der Ton furchtbar eierte.
Ich wollte schon kapitulieren und wieder abdrehen, doch plötzlich durchschoss mich ein Geistesblitz. Ich beobachtete das Band und das Gerät, ich probierte ein bisschen herum und…Heureka!
Ich hatte ihn entdeckt. Jetzt wusste ich, wer der unbekannte Musiker/Komponist war, der den Mix bearbeitete.
Er hatte sich gut versteckt, doch letztendlich habe ich ihn gefunden.
Es ist…
*Trommelwirbel*
Achtung!
Falls jemand das Mysterium um das bearbeitete Band für sich bewahren möchte, bitte NICHT weiter lesen!
Der „Band-Motor“!
Er war bei der „Band-Aufnahmespule“ zu schwach und langsam und bei der „Band-Abgabespule“ zu schnell. Das Tonband wurde in das Gehäuse hineingeschoben, aber nicht mehr herausgezogen. Das Band selbst ist unversehrt, die Aufnahme ist den Umständen entsprechen fehlerfrei und klingt fast noch so gut, wie vor 40 Jahren, möchte ich meinen.
Was für ein erhebendes Gefühl den geheimnisvollen Musiker entdeckt zu haben.
(…und was für eine Erleichterung, dass man meine Urgroßmutter und meine Großtanten, immer noch lautstark über den Gesundheitszustand des Gänserichs und Behandlungsmethoden diskutieren hören kann)
Leider habe ich durch meine Entdeckung dem Zufall die Zügel, oder den Dirigentenstab, aus der Hand gerissen. Nun kann die Bearbeitung des Tonbandes durch den Philips 4307 nicht mehr willkürlich passieren, aber das erhebende Gefühl ein kleines Geheimnis gelüftet zu haben bietet mir Trost.
Schremmt Schubert! – Ein weiterer Tatsachenbericht von meiner Vorlesung