Radikal-subjektive Aufzeichnungen von einem Rundgang durch die politische Gegenwart am Tag der Nobelpreis-Verleihung – Von Klaus Karlbauer auf derStandard.at:
“Ich weiß wirklich nicht, was ich mit einem Menschen tun soll, der nie fragt: ‘Was soll ich jetzt tun? Was soll ich jetzt tun?”(Konfuzius)
Ich öffne mein Mac-Programm Bildschirmfoto und dokumentiere mittels einer Reihe von Screenshots meine radikal subjektive Wahrnehmung von Gegenwart. Ich stelle die Fotos nebeneinander, woraus sich heute am Morgen des 10.10.2010 folgendes Bild ergibt:
Screenshot 1:
Konfuzius würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er, zu welchem Zweck ein, nach ihm benannter Preis, vom offiziellen China instrumentalisiert wird: Um nämlich einem leeren Stuhl bei der Vergabe des Friedensnobelpreise in Oslo die Show zu stehlen. Nein, das ist kein posthum entdecktes Stück des Literaturnobelpreisträgers Samuel Beckett. Es ist der „patscherte“ Versuch einer Supermacht, die Weltöffentlichkeit zu manipulieren. Derartige Manipulation mag innerhalb der chinesischen Mauer funktionieren (wie lange noch?) und kann gegebenenfalls mittels langjähriger Haftstrafen (Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo) oder Polizeiprügel (Künstler und Aktivist Ai Weiwei) verschärft werden. 18 Staaten, darunter der EU-Mitgliedschafts-Aspirant Serbien, folgen dem Aufruf, die Nobelpreisvergabe zu boykottieren.
Screenshot 2:
Wikipedia-Eintrag zu Konfuzius: Das zentrale Thema seiner Lehren war die menschliche Ordnung, die seiner Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen erreichbar sei. Den Weg hierzu sah Konfuzius vor allem in der Bildung.
Screenshot 3:
Strassenkrawalle in London nachdem im Unterhaus Folgendes beschlossen wurde: Die Studiengebühren werden verdoppelt, in manchen Fällen sogar verdreifacht, um das Budgetloch zu stopfen und die Finanzierung der Universitäten zu sichern.
Screenshot 4:
Vater und Mutter Österreicher raufen sich auf der Wohnzimmer-Couch um die TV- Fernbedienung, während das Fernsehbild ratlos zwischen den „Seitenblicken“ und „Chili“ hin und her switcht. Ihre Kinder, die genauso ratlos daneben stehen, werden von ihren Eltern mit dem ermunternden Zuruf „Kinder geht lesen“ des Raumes verwiesen
Screenshot 5:
Die ÖVP fordert ein Ende der öffentlichen Diskussion über Reformen im Bildungsbereich mit dem Argument, dass die Gesamtschule ohnehin schon existiere in Form der Volksschulen.
Screenshot 6:
Die Zustände in der Justizanstalt Josefstadt, einem schnöseligen Bezirk im Herzen einer bildungsfernen Provinz im sagenhaften Kakanien: Nach massiven sexuellen Übergriffen unter jugendlichen Häftlingen beiderlei Geschlechts, die Verletzungen nach sich zogen, die nicht mehr zu übersehen waren (Misshandlungen mit Besenstiel etc.) äußerte sich eine Jugendrichterin wie folgt: Eigentlich müssten die Vorfälle Anlass für staatliche Entschädigungszahlungen sein, weil der Staat jungen Menschen zwar die Freiheit nehmen aber offenbar nicht für ihre Sicherheit im Gefängnis sorgen könne. Ein Grund für die zum Teil grausamen Misshandlungen sei Personal- und Platzmangel in den heimischen Gefängnissen.
In Erweiterung dieses Gedankens behaupte ich, der Staat entzieht der Jugend zwar die Basis einer adäquaten Bildung, übernimmt aber für die daraus resultierenden Folgeschäden keine Verantwortung. Eine davon ist die, dass Jugendliche mangels Perspektiven kriminell werden.
Warum wird jungen Menschen eine adäquate Bildung vorenthalten? Mit welchem Argument? Sparefroh hat hier nichts zu suchen. Und warum werden jene nicht geschützt, die Opfer dieser Fehlentwicklungen sind?
Warum werden jene, und hiermit gucken wir über die Grenzen der Provinz hinaus, die sich bemühen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen wie Julian Assange, hinter Gitter gesteckt?
„Unter einer Regierung, die irgend jemanden unrechtmäßig einsperrt, ist das Gefängnis der angemessene Platz für einen gerechten Menschen.“ (Henry David Thoreau – Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat, 1849 – S. 20)
Es werfe den ersten Stein, wer mich zu Recht einen Verschwörungstheoretiker nennt, aber ich zähle dennoch im Folgenden furchtlos 1+1 zusammen: Diejenigen, die mit aller Kraft eine gebildete, mündige Zivilgesellschaft verhindern, fürchten wie der Teufel das Weihwasser, dass wir davon Kenntnis erlangen (Mit Ausnahme der ÖVP)
Und hiermit verabschiede ich mich mit der Internationale aller Verschwörungstheoretiker: „Just because you are not paranoid, it doesn’t mean that they are not after you“
Servas die Madln, servas die Buabn und „GEHT LESEN!“
Klaus Karlbauer ist Komponist, Multimediakünstler, Pamphletist
und Lehrbeauftragter für Medientheater am TFM (Institut für Theater, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien)