Dieser Text erschien als „Kommentar der Anderen“ auf „derStandard.at“
„Rechte Bilder – Rechte Sounds“
oder
„Skinheads anders als Ihr denkt“
oder
„Von denen vorgefertigten Bildern“
Film ist 24 Mal pro Sekunde Wahrheit (JL Godard)
Film ist 24 Mal pro Sekunde Lüge (RW Fassbinder)
Dokumentation oder Inszenierung? Bezahlen oder nicht? Welche Bilder wollt Ihr sehen? Welche Töne wollt Ihr hören? Rechte oder linke, schwarze oder weiße, welche, die Ihr schon kennt oder Neue?
Warum wird auf dem bereits Bekannten herum getrommelt wie auf der Trommel eines Voodoo-Zauberers oder der sonnen- äh hirnverbrannten Glatze eines rechtsradikalen Skinheads? Weil die Bestätigung dessen, was man schon weiss, dem, der davon überzeugt ist, und sei es der Einfältigste aller Einfältigen, und nur Einfältige und Hausmeister sind immerfort von etwas überzeugt (frei nach Heimito von Doderer) das Gefühl verleiht, (noch) am Leben zu sein, noch nicht gestorben zu sein, „Ich bin immerfort von etwas überzeugt – also bin ich“. Soweit zu den Nachfolgern Descartes‘.
Im Speziellen ist unlängst ein Nicht – Diskurs vom Scheintod zum Scheinleben erweckt worden, in dessen Epizentrum ein Typus von geradezu mythischen Dimensionen steht, der Typus des österreichischen“Sieg Heil – grölenden“ rechtsradikalen Skinheads und dessen staatsgefährdendes Agieren. Der eher tristen Realität, die hinter dieser Medien-Blubber-Blase steht, bin ich vor mittlerweile 15 Jahren sehr nahe gekommen, denn ich bekam Zutritt zu den sagenumwobenen Schalt- und Waltzentralen dieser Szene. Ich habe Einblick bekommen in die Gedankenwelt dieser Mädels und Burschen, was keineswegs zu einem Verständnis meinerseits für ihre Positionen führte, sondern vielmehr zu einem Verstehen, warum sie diese, für sich selbst zerstörerischen, Positionen einnahmen und wahrscheinlich wohl noch immer einnehmen, denn Resistenz gegen jegliche Entwicklung war eines der Hauptmerkmale dieses Trauerspieles (von wenigen Ausnahmen abgesehen)
Mit einer derartigen Position befindet man sich jedoch in einem Land, wo der Begriff „konservativ“ positiv besetzt ist und in verschiedensten Varianten fröhliche Urständ feiert, in bester Gesellschaft.
Unsere „Skins“ stammten zu allem (symbolischen) Überfluss aus Braunau und Umgebung. Ich wurde von 2 Streetworkern, die diese Jugendlichen betreuten, im Jahr 1995 eingeladen, im Auftrag der Oberösterreichischen Landesbildstelle (!)einen Schulfilm über diese Szene zu drehen, der danach in allen Pflichtschulen zum Einsatz gelangen sollte, um SchülerInnen einen Einblick in einen gesellschaftlichen Rand-Bereich zu geben. Don’t forget, wir sprechen hier von einer Minderheit!
Die Absicht der Auftraggeber war ehrenhaft, die Streetworker waren geradezu visionär in ihrem Umgang mit schwierigen Jugendlichen (als Belohnung dafür wurden sie ja auch kurz danach weg rationalisiert). Und ja, die Jugendlichen kooperierten nach anfänglich Ressentiments gegen „die mit der Kamera, die uns nur benützen, um uns danach so darzustellen, wie sie selbst es wollen und nicht so, wie wir sind“. Das heisst, die Skins fühlten sich missbraucht von den Medien. Als drastisches Beispiel wurde sowohl von den Jugendlichen als auch von den Betreuern der exemplarische Fall berichtet, dass ein deutsches Leitmedium (Magazin – Print) ein Team schickte, das mit den Skins martialische Lagerfeuer-Szenen inkl. brennendem Holzkreuz inkl. Bücherverbrennung inszenierte. Der Soundtrack stammte von Störkraft. Bösze Onkelz, nur was für Weicheier!
Ku Klux Klan meets Osterfeuer!
Dokumentation oder Inszenierung? Bezahlung oder nicht? Das sind die falschen Fragen. Die einzig richtige Frage lautet: Warum glauben diejenigen, die diese Bilder produzieren, das wir Konsumenten genau diese Bilder sehen wollen? Wem ist damit geholfen? Warum dieses ewiggestrige Festhalten am Ewiggestrigen? Warum so konservativ? Nach dazu mit dem Effekt, das genau dadurch jegliche Kommunikation mit der betroffenen Gruppe verunmöglicht wird. Ist das das Ziel? Wollen wir uns diese „nützlichen Quoten-Idioten“ weiterhin als Material verfügbar erhalten, um je nach Bedarf statt martialischen Lagerfeuern dürftige Medien-Strohfeuer anzuzündeln? Damit verweigern wir den Jugendlichen die Hilfestellung, die sie benötigten, um aus ihrer Perspektivlosigkeit zu entkommen. Und auch die drohende Staatsgefährdung würde deutlich entschärft. Eigentlich eine Win-Win-Situation. Nein, Klischees müssen weiterleben, müssen genährt werden, wo kämen wir denn da hin… Neue Bilder – Neue Sounds? Also Bitte! Eine Zumutung! Wir bleiben konservativ „bis ans End“, denn das ist die Apotheose dieses Geisteszustandes.
Die Realität der Jugendlichen, denen ich begegnet in, lautet: Verwahrloste Familienverhältnisse, Gewalt statt Kommunikation von Kindheit an, mangelnde Ausbildung, mangelnde Job-Aussichten… Der übliche brisante Mix, der sich nicht (mehr) auf diese Randgruppe beschränkt. Die anfänglich trotzige Pose, die meist von Halbwüchsigen eingenommen wird, wird von der Gesellschaft nicht als Anlass gesehen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen, sondern sie zu kriminalisieren (sic. Dr. Udo Jesionek), und so schreitet die Radikalisierung fort, gefördert von findigen Agitatoren der ultrarechten Szene und all den anderen Quoten- und Wähler-Junkies.
Ja, der Film wurde fertiggestellt nach -zig Änderungswünschen von Seiten der OÖ Landes-Stellen, Politik, Exekutive und wurde danach dennoch nicht, wie geplant, an Schulen eingesetzt. Und das obwohl anerkannte Persönlichkeiten wie u.a. Dr. Udo Jesionek sich in diesem Film sehr differenziert zu diesem Themenkomplex äußerten.
Die Filmaufnahmen von einer 2 wöchigen erlebnis-pädagogischen Reise auf einem Segelschiff in Irland, die wir gemeinsam mit den Jugendlichen und ihren Betreuern unternahmen, wurden überhaupt gestrichen mit dem Argument, „Wenn die WählerIn sieht, was mit Steuergeldern…“ We know! As usual!
Präsentiert wurde das Projekt dann aufgrund meiner Initiative in Kooperation mit den Streetworkern in einer elaborierten Form als Multimedia-Performance „Rechte Bilder Rechte Sounds“ in verschiedensten Zusammenhängen quer durch Österreich und führte jedes Mal zu äußerst heftigen Diskussionen.
In diesem Sinne, „Suchen wir den Dialog mit Minderheiten aller Art, vor allem mit Jugendlichen, nicht nur mit jenen, die uns sympathisch sind, und drängen wir sie nicht in eine Position, aus der es für die Betroffenen keinen Ausweg gibt!“
Klaus Karlbauer – Komponist und Multimediakünstler